PARTIZIPATION
Der Begriff Partizipation entstammt dem Lateinischen `participare´ und bedeutet teilnehmen; Anteil haben. Der Bedeutungsrahmen ist jedoch größer als die bloße Teilnahme von Kindern an Angeboten der Fachkräfte. Partizipation umfasst ebenso die Mitwirkung, Mitbestimmung sowie Mitgestaltung der Kinder an den für sie und die Gesellschaft bzw. Gemeinschaft wichtigen Entscheidungen.
Dieses Recht auf Beteiligung beginnt mit der Geburt und besteht dauerhaft fort. Insbesondere wir als Kindertageseinrichtung sind oftmals der erste öffentliche Raum, in dem Kinder Beteiligungsmöglichkeiten außerhalb des Elternhauses erfahren können.
Beteiligung stellt einen entscheidenden Aspekt in den Bildungsprozessen der Kinder dar!
Sie eignen sich die Umwelt durch Ausprobieren und Erfahren selbstständig an. Selbstbildung setzt somit die Aneignungstätigkeit der Kinder voraus, wobei Bildung nur auf Grundlage der Zustimmung und Beteiligung derer gelingt.
Somit möchten wir den Kindern ermöglichen, dass sie selbstständig entscheiden können, auf welche Art und Weise sie sich Bildungsthemen nähern und mit diesen auseinandersetzen.
Daher sehen wir Kinder als aktive Gestalter ihrer Themen, Wege, Methoden und Lösungen.
Die Partizipation der Kinder ist uns sehr wichtig. In unserer partizipativen Haltung verstehen wir das Kind als eine selbstbestimmungsfähige Person. Entsprechend hat jedes Kind das Recht, seine Bedürfnisse zu äußern, aktiv Einfluss auf die Gestaltung seiner Umgebung zu nehmen, die sie betreffenden Entscheidungen eigenständig zu treffen und eigene Ideen umzusetzen. Dabei werden die Kinder altersentsprechend unterstützt, um Überforderungen zu vermeiden. Das Erlebnis der aktiven Teilhabe und Mitgestaltung versetzt Kinder in die Lage Eigenverantwortung zu übernehmen und sich als wichtigen Teil der Gemeinschaft zu erleben. Die Kinder setzen sich in Beteiligungsprozessen mit ihren Wünschen und Bedürfnissen sowie mit denen anderer auseinander und gestalten gemeinsam tragfähige Lösungen. Dabei erleben sie eigene Grenzen und die der anderen Kinder. Auf diese Weise möchten wir demokratisches Verhalten und Zusammenleben im Alltag üben.
Kinderpartizipation stellt dabei hohe Anforderungen an die Fachkräfte. Sie müssen genau beobachten, aktiv zuhören, Kinder in allen Situationen ernst nehmen und ihre Handlungen wertschätzen. Eine besondere Herausforderung stellt die Machtabgabe an die Kinder dar, damit diese ihre Rechte zur eigenständigen Entscheidung wahrnehmen können. Allerdings bedeutet Partizipation nicht, „Kinder an die Macht“ zu lassen oder „Kindern das Kommando zu geben“. Uns geht es vielmehr um den gemeinsamen Aushandlungsprozess, indem wir auf Augenhöhe mit dem Kind miteinander interagieren. Entsprechend etablieren wir partizipationsfördernde Strukturen und Methoden und stellen individuell passende Grenzen transparent dar. In unserer Arbeit orientieren wir uns an den fünf Prinzipien von Partizipation nach Hansen, Knauer & Sturzenhecker (2015, S. 22 ff.):
Prinzip der Information: Kinder müssen wissen, um was es geht und worum es sich handelt
Prinzip der Transparenz: Kinder müssen wissen, wie Beteiligung umgesetzt werden kann
Prinzip der Freiwilligkeit: Kinder müssen selbst entscheiden, inwieweit sie sich beteiligen
Prinzip der Verlässlichkeit: Kinder müssen sich auf die Fachkräfte verlassen können
Prinzip der individuellen Begleitung: Kinder müssen individuell unterstützt werden
Ausgestaltung von Partizipation
Im Alltag unserer Kita ergeben sich inhaltlich vielfältige Möglichkeiten Kinder an Entscheidungen, die ihr Leben betreffen zu beteiligen. Dabei gibt es kaum Themenfelder, die nicht gemeinsam mit den Kindern partizipativ bearbeitet werden. Grundsätzlich werden die Kinder an den generellen und längerfristig einflussnehmenden sowie an alltäglichen, gegenstandbezogenen und situativen Entscheidungen beteiligt.
Im Sinne der situativen Mit- und Selbstbestimmung werden die Kinder in der Situation an der jeweiligen Ausgestaltung altersentsprechend beteiligt: Wann, Wie / Wie viel / Wie lange, Was, Wer (Freunde, Fachkraft) etc. In den Spielzeiten bedeutet dies, dass die Kinder selbständig über den Spielort, den Spielpartner, die Spielmaterialien, die Kleidung sowie die Ausgestaltung und Dauer entscheiden. Ebenfalls haben die Kinder die freie Entscheidung, ob sie Impulse aufgreifen oder an Angeboten oder Projekten teilnehmen. Gleichsam werden die Kinder in den festgelegten Tagesstrukturen bei der jeweiligen Ausgestaltung altersentsprechend beteiligt: Frühstück, Morgenkreis, Wickeln, Mittagessen, Schlafen oder Ausruhen, Snack/ Imbiss, Abholphasen.
Dabei achten wir immer darauf, dass die Kinder nicht durch die Entscheidungsräume überfordert werden und passen diese entsprechend entwicklungsabhängig an. Ebenfalls ist uns sowie den Kindern immer auch bewusst, dass nicht in jeder Situation allen Wünschen entsprochen werden kann. In diesem Falle erläutern wir altersentsprechend, warum derzeit Grenzen bestehen.
Folgend einige Beispiele.
Ein Kind kann beim Wickeln selbstständig entscheiden: Wer Wickelt? Wann wird gewickelt? Wo wird gewickelt? Wie wird gewickelt?
Ein Kind kann beim Mittagessen selbstständig entscheiden: Möchte ich etwas essen? Wann esse ich? Was und wie viel esse ich? Wo esse ich? Wer isst mit mir?
Im Sinne der gegenstandsbezogenen Mit- und Selbstbestimmung können die Kinder an Entscheidungen zu einem bestimmten Gegenstand einbezogen werden, die weder in der Situation selbst noch dauerhaft Anwendung finden. Dies kann ein individuell gestalteter Portfolioordner sein, bei dem die Kinder selbstständig entscheiden, welche Kunstwerke und Texte in den Ordner kommen. Ebenfalls erleben die Kinder diese Selbstbestimmung in gemeinsamen Projekten und werden in die Gestaltung von Festen, Feiern, Ausflügen oder die Raumgestaltung einbezogen. Ebenso werden die Kinder an der Auswahl der Speisen mit Hilfe von Bildkarten und einer Abstimmung beteiligt. Bei Geburtstagen können die Kinder selbstständig entscheiden, wo, mit welchen Kindern und welchem Erwachsenen sie feiern möchten.
Im Rahmen der Mit- und Selbstbestimmung bei grundsätzlichen Aspekten werden die Kinder an generellen Entscheidungen der Kindertageseinrichtung beteiligt. Dies umfasst eine Beteiligung unter anderem an dem grundsätzlichen Tagesablauf, den Abläufen und Regeln der einzelnen Tagesstrukturen, den allgemeinen Regeln oder der Raumnutzung. Dementsprechend werden die Kinder bspw. an den Strukturen des Betreuungsablaufes beteiligt, indem sie ihre Meinung dazu äußern, welche Aktivitäten sie gerne, zu welcher Zeit, an welchem Tag machen möchten. Ebenfalls werden die Kinder in die Erarbeitung gemeinsamer Kommunikations- und Umgangsregeln (bspw. im Rahmen eines Morgenkreises oder der Raumnutzung) eingebunden. In begrenztem Maße können die Kinder ebenfalls an Entscheidungen bezüglich des Personals (Eindruck zu neuen Bewerbern) und der Finanzen (Anschaffungen) beteiligt werden.
Partizipieren können bei uns Kinder aller Altersstufen. Mit unseren jüngeren Kindern finden partizipative Aushandlungsprozesse zumeist nonverbal statt, sodass insbesondere diese sensibel in ihrem Verhalten beobachtet werden müssen. Entsprechend macht eine mit dem Arm abwehrende Geste gegenüber dem Löffel mit Nahrung deutlich, dass das Kind nicht weiter essen möchte. Ebenfalls kann Weinen oder ein Zurückziehen Angst, Sorge oder ein nicht befriedigtes Bedürfnis ausdrücken. Ab dem dritten Lebensjahr entwickeln die Kinder ausgeprägte sprachliche Fähigkeiten, sodass die Sprache zum wichtigsten Verständigungsmittel in Beteiligungsprozessen wird. Unterstützend werden Bilder zur Veranschaulichung genutzt.